Sonntag, 21. Oktober 2012

Durchs wilde Bürokratistan, ähhh, Baluchistan natürlich...

Am Morgen unseres früh geplanten Grenzübertrittes war die Polizei dann sogar pünktlich zur Stelle, aber noch vor Eintreffen der Eskorte haben wir es geschafft uns aus dem Hotelgelände rauszuschleichen um ein paar Liter Sprit an der nahegelegenen Tanke zu ergattern... ;-)

An der Grenze angelangt, haben wir uns dann ganz unverschämt zwischen all den wartenden LKWs und Taxis vorgedrängt...


... und dann an diesem Häuschen unsere erste bürokratische Hürde genommen:


Nach diesem Häuschen (in dems toooooootal überaschend alles andere als koordiniert zuging...) waren unsere Fahrzeuge also offiziell aus dem Iran ausgereist.

Linienbusse mussten natürlich das selbe Prozedere über sich ergehen lassen:


Als nächstes durften dann wir Menschen ausreisen, dazu wurde ein kleines Helferlein gekauft, dass uns an der ewig langen Schlange der Wartenden vorbei direkt zu den richtigen Beamten brachte (die beim Pässestempeln ein wirklich rekordverdächtig langsames Tempo vorlegten...)


Als wir dann auch noch den Zollbeamten erklärt hatten, dass wir nichts zu verzollen haben, wollten wir endlich hinüber nach Pakistan fahren. Doch nein, noch ein Grüppchen Soldaten wollte diverse Daten aus unseren Reisepässen abschreiben, und uns anschließend noch ein wenig warten lassen (auf was genau werden wir wohl nie erfahren...). Dann durften wir tatsächlich nach Pakistan!

Die Personeneinreiserei lief ja relativ entspannt und flott ab, und direkt daneben gabs einen Shop, an dem man sich mit kalten Getränken, Keksen und pakistanischen Rupees zu einem eher miesen Wechselkurs versorgen konnte.

Danach durften wir bei einem freundlichen, gut englisch sprechenden & smalltalkenden Beamten wieder all unsere Daten und "nichts zu verzollen" bekanntgeben, bevor wir von einem andern Kerl in die Polizeistation an der Grenze geführt wurden. Nachdem wir dort wieder ein wenig auf keine Ahnung was gewartet haben, fiel ihnen ein, dass unsere Fahrzeuge ja noch nicht ordnungsgemäß eingereist waren! Also gings wieder ein paar hunder Meter quer durchs Niemandsland zur nächsten Beamtenburg. Dort begann der Bürokratieralptraum dann so richtig, und zu allem Überfluss war auch noch Richis Reisepass zwischen Polizeistation und Zollhaus verloren gegangen!

Da sind wir dann ein ganz klein wenig nervös geworden, im Niemandsland zwischen Iran und Pakistan plötzlich ohne Reisepass dazustehen, ist sicher eine der Erfahrungen, die man eher nicht braucht...

Der Pass wurde dann aber schnell 100m entfernt im Sand gesichtet, und wir konnten fürs erste mal aufatmen!

Die Beamten dort gaben uns sogar soviel Zeit zum Aufatmen, dass einige von uns zwischendurch auf der Wartebank tatsächlich eingeschlafen sind! Dort passierte nämlich zuerst mal für langelange zeit genau gar nichts mit unseren Carnets, komisch, dabei machte das Büro soooo einen leistungsorientierten und durchorganisierten Eindruck...

schwerst überlasteter Beamter!

schwerst überlasteter Schreibtisch!

noch ein schwerst überlasteter Beamter!
Ziegen..

In all der Wartezeit wurde uns entsprechend fad, also sahen wir uns ein wenig die Gegend an. Hinterm Häuschen hatten die Beamten sich wohl einen kleinen Bauernhof zugelegt:
















Tauben...
Dieser Herr saß auch nur herum und wartete darauf, dass die Zeit vergeht...


Etwas beunruhigend:


Ein französisches und ein italienisches Auto sind wohl an dieser Stelle der Grenze hängengeblieben...

Der Franzose ist im April dieses Jahres noch durch Österreich gefahren, und wollte wohl auch wie wir nach Indien... Warum die beiden Fahrzeuge dort schon seit geraumer Zeit Staub auffangen, werden wir wohl nie erfahren...


Nach einiger Zeit (mindesten 1 1/2 Stunden!) erbarmte sich dann einer der Herren unsere Papiere zu bearbeiten, und für die Tätigkeit die im Iran ca. 5 Minuten pro Fahrzeug gedauert hat, nahm er sich mindestens 15! Zuerst wurden sämtliche Daten (die ohnehin auf dem Abschnitt des Carnets, den er behalten darf, drauf sind) auf einen x-beliebigen, herumliegenden Schmierzettel geschrieben, und von diesem dann einmal in ein Riesenbuch, und einmal in ein Heft übertragen. Und das alles mit der Geschwindigkeit eines Volksschülers, der gerade erst den Unterschied zwischen X und Y gelernt hat... Das Ganze dann mal 5 Motorräder, und ausgeträumt war der Traum, am selben Tag noch nach Dalbandin zu kommen...

Nachdem er vier von uns dann erfolgreich verbürokratisiert hatte, weigerte er sich auch noch Stevens Daten aufzunehmen, bzw. sein Carnet zu stempeln.

Er habe ja schließlich schon alle von uns bearbeitet!?!

Erst als wir uns zu fünft nebeneinander aufstellten und er unsere Namen mit denen in seinem Buch verglich, sah er ein, dass er vielleicht doch jemanden vergessen hatte... AAAAAlter!

Als wir es dann nach 5 Stunden (!!!) tatsächlich von der Grenze weg auf die Straße geschafft hatten, konnten wir unser Glück noch gar nicht glauben. Daher war es gut, dass die sich mit unglaublichen 70 km/h auf der kerzengeraden Straße bewegende Eskorte uns wieder auf den Boden der Realität zurückholte...

Aja, wirklich kontrolliert wurde an der Grenze wieder mal genau GAR NICHTS! Mit Papieren für ein Puch Maxi wären wir genauso problemlos weitergekommen...

Der Horror mit den Checkpoints bekam in Pakistan dann noch eine ganz neue Dimension an, alle paar Kilometer muss man stehen bleiben, und so wichtige Daten wie Namen, Passnummer, Kennzeichen, Visanummer oder anderes in Bücherl, Hefte oder was sonst so als Schreibunterlage zur Verfügung war eintragen. Bei der Auswahl und Form der geforderten Daten wird den einzelnen Checkpoints offenbar auch große Freiheit gelassen, von sauber strukturiert in einer Tabelle in einem Büchlein bis hin zu vollkommen chaotisch ohne irgendeine Reihenfolge oder Struktur kreuz und quer in einem zerfallenden Heft war alles dabei...

Die Leute waren aber immer ausnehmend freundlich, und gelegentlich gabs sogar Tee an den Checkpoints:


Richi mit Buch!

typischer Checkpoint mitten im Nirgendwo...

Einmal extrem viel Nichts bitte!
Deaf, dumb, blind!
 Inzwischen waren wir ja auch in der "solang mein LKW schön bunt ist, brauch ich keine funktionierenden Bremsen!" - Gegend angekommen:


Auch innen wird geschmückt bis man vom Verkehr rundum aufgrund des ganzen BlingBlings nichts mehr mitbekommt!





Gelegentlich gabs zwar kleine Sandverwehungen, und immer wieder mal Schlaglöcher, aber abgesehen davon war die Straße am ersten Tag in Pakistan sehr gut befahrbar:



Schlimmer als das wars kaum...
In Nok Kundi (noch nie davor von diesem Dorf gehört? wir auch nicht...) wurden wir dann von den freundlichen, wenn auch leider nur begrenzt englischsprachigen "Levies" (so ne Art Wüstengendarmerie), höflich, aber bestimmt darauf hingewiesen, dass wir heute nicht mehr weiter fahren werden. "Too dangerous!"

Also bereiteten wir uns darauf vor, die Nacht in einer Polizeistation zu verbringen, zumindest für uns beide ganz was neues... ;-)

Sunset atop a Levies station...

Hinter den Bergen da ist Afghanistan!
 Die Gegend dort war wirklich etwas sehr "basic", nichtmal die Polizei verfügte über fließend Wasser, und Elektrizität gabs nur von einer Solarzelle, die ihre 12V in eine große LKW-Batterie hineinspeicherte...

The Dorf!
Als wir dann sicher in der Leviesstation geparkt hatten, konnten wir auch endlich die Ursache für das komische Pfeifen aus Jeroens 990er Adventure suchen. Es war tatsächlich die Batterie, die deutlich sichtbar aufgeblasen war, und mit dem Pfeifen wohl auf ihren herannahenden Lebensabend hinweisen wollte... :-/

David und ich fuhren dann also mit der Aufgabe Abendessen & Batterie checken mit den Levies im Pickup einkaufen. Abendessen ließ sich einrichten:


Batterie war zu so später Stunde aber leider keine mehr aufzutreiben...

Es ist angerichtet!

Unser "Dining Table":




















Typischer Levy!

Nachdem wir dann alle noch eine Episode "Long Way Round" auf Stevens iPad angesehen haben, hieß es Licht löschen und schlafen gehen. Just als wir auf geheiß der Levies ruhig wurden, liefen aber ebendiese zu konversationeller Höchstform auf, und unterhielten sich dann noch lautstark bis spät in die Nacht...












Faul, wie wir nunmal sind, wollten wir uns das Auspacken der Schlafsäcke sparen, und legten uns in voller Bikermontur auf die Isomatten...


 Mir wurde es in der Nacht dann doch zu windig, und so hab ich mich später zu David in die Zelle begeben... ;-)


Aja, und so sperrt man in Baluchistan Türen zu, sicher ist sicher! *gg*



















Am nächsten Morgen...


...wurde dann tatsächlich von irgendwoher eine Motorradbatterie aufgetrieben, die sich aber leider als komplett tot herausstellte, sodass wir die große Schwester unserer Kathis nur mit Starthilfe und viel blödem rumspielen zum Laufen bekamen...


Als erstes fuhren wir dann ins "Dorfzentrum", mal volltanken:


Aber nix mit Zapfsäule, es gab nur Sprit aus Kanistern! (vermutlich irgendwie aus dem Iran rübergeschmuggelt, und dann zum fünffachen Preis verkauft...)


Wir ungewöhnlichen Kunden erweckten natürlich großes Interesse bei den Einheimischen!


Um nicht noch einmal das ziemlich komplizierte Prozedere des mit Starthilfe Startens durchlaufen zu müssen, hat Jeroen währende des ganzen Tankens seine KTM einfach laufen gelassen. Die Kiste ist auch brav gelaufen, bis er zum Losfahren bei ausgeklapptem Seitenständer den ersten Gang eingelegt hat...

Das darauf folgende Gewitter aus Flüchen war wirklich nichts für Kinderohren...

Nachdem dann ein Kabel mit ausreichendem Querschnitt organisiert war, konnte es endlich losgehen! - Zum nächsten Checkpoint...


Und der nächste Checkpoint nach diesem war wirklich keine 500m entfernt... Gottseidank lief das aber nicht immer so ab, zwischendurch konnten wir sogar einige Meter ganz ohne Eskorte zurücklegen, und wilde Kamelherden bewundern:



In Dalbandin kaufte Jereon sich dann eine weitere Motorradbatterie, die wieder nicht stark genug war um den 990er Zweizylinder in Bewegung zu versetzen... Das fand er heraus, kurz bevor er herausfand, warum die Kiste beim im Stand laufen lassen immer überhitzte: So gut wie gar kein Kühlwasser im System! Ein Wunder, dass die Kiste überhaupt noch gelaufen ist...

In der Polizeistation...

Mit dem LKW hier wurde übrigens im großen Stil Opium geschmuggelt, dazu hat er extra einen doppelten Boden und einen modifizierte Tank bekommen...

Und hier haben wir unser weiteres Vorgehen besprochen:



Beim Rausfahren aus Dalbandin ist Jeroens KTM dann wieder mal stehen geblieben, diesmal aufgrund von Spritmangel, das ganze Spritversorgungsproblem wird von den Eskorten ja einfach immer auf die nächste weitergeschoben, bis dann eben der Erste steht, davor ist es scheinbar nicht möglich tanken zu gehen...
Ersatzkanister hatte er aber dabei, und mit dem schafften wir es dann in das einzige Hotel der Stadt. Dieses war sogar überraschend gut beinander, hatte Internet, und servierte uns das erste Bier seit wir die Türkei verlassen hatten... ;-)

The Room...





Als wir dann alle so gemütlich beisammensaßen, und uns mit ein paar der anderen Hotelgäste ganz gut unterhielten, ging auf einmal einfach so im ganzen Hotel das Licht aus... Wenn man, so wie wir, zuviele Filme gesehen hat, in denen Terroranschläge genau so beginnen, sorgt das schon für einen etwas erhöhten Puls...

Stromausfälle sind in Pakistan aber ganz was normales, wissen wir inzwischen... Vollkommen unerklärlich, ist doch überall alles so schön und ordentlich verkabelt...


Die Hotelmannschaft schaffte es dann auch noch zustandezubringen, was laut Polizei nicht möglich wäre: Ein Benzinlieferservice zum Hotelparkplatz:



Also haben wir alle noch in der Nacht am Hotelparkplatz aufgetankt, damit wir am nächsten Tag nicht schon wieder kostbare Zeit damit verscheißen...


Gut bewacht von einem extra für uns abgestellten Polizisten, schliefen wir dann tief und fest bis wir uns am nächsten Morgen nach einem herzhaften Frühstück...


...in Richtung Quetta aufbrachen. Zwischendurch waren die Straßen etwas schlechter beinander,


die Szenerie entschädigte uns aber vollkommen! Und unseren KTMs ist loser Untergrund sowieso viel lieber... ;-) (Stevens Tiger sah das etwas anders... *g*)


Da wir hier betont nicht Motorradmarkenrassistisch sind, gibts hier ausnahmsweise auch mal ein cooles Bild von David auf seiner BMW...


...aber KTM-Fahrer sind dann halt doch viel cooler! ;-P



Checkpoints gabs natürlich auch immer wieder! Mal mit Tee...



Mal mit nebenan liegender Motorradwerkstatt...



Und auch mal mit gegenüber liegender Moschee...


Nur eines hatten wirklich alle Checkpoints gemeinsam: Seeeeeeeeehr viel Zeit ging bei ihnen verloren!

Die passen sehr gut zu uns, find ich! ;-)


In der vielen Wartezeit wurden dann auch sämtliche Nahrungsreserven aufgefuttert, ein Restaurant hatte nämlich kein Checkpoint in der Nähe...


















Bei längeren Pausen musste Jeroen seine KTM abstellen, da sie ansonsten überhitzte, und seine ohnehin schon geringe Reichweite durch den unnötigen Spritverbrauch noch weiter verkürzte. Er litt daher ganz besonders unter den permanenten, oft wirklich sinnlosen Fahrtunterbrechungen, und machte seinem Ärger auch regelmäßig lautstark Luft... Zum Starten war er dann auch noch auf die großteils eher sehr desolaten Polizeipickups angewiesen:


Die Jungs haben sich dann auch einen Spaß daruas gemacht, so lustige Sachen wie "James T Kirk" als Namen in die Hefte einzutragen, oder einmal hat Jeroem dem Polizisten eine ca. 20-stellige, beliebig ausgedachte Nummer als Motorradkennzeichen verkauft, der Kerl hat daraufhin nur "Oh, that's a very long Number!" gesagt, und nicht weiter nachgeforscht... *gg*

Die Spritversorgung haben wir dann auch selbst in die Hand genommen, und sind einfach die Eskorten ignorierend an eine der "Tankstellen" gefahren, wenn wir wieder mal Sprit brauchten...


Einige interessant beladene LKWs...

 
...und seeeeeeehr viel Gegend später...




...hatten wir gegen Abend dann den letzten Checkpoint vor Quetta, der gefährlichsten Stadt Pakistans erreicht!

Laut einem der Polizisten am Checkpoint, sterben in Quetta täglich durchschnittlich zwei seiner Kollegen...

 Warum wir geradewegs durch das vollkommen überlaufene, chaotische Stadtzentrum gelotst wurden, anstatt die Umfahrung zu unserem etwas außerhalb liegenden Hotel zu nehmen, werden wir wohl nie erfahren... Wie das so abgelaufen ist, und warum wir dann nach Karachi weitergefahren sind, erzähl ich aber ein andermal!

Stay tuned!

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