Sonntag, 30. September 2012

Die Osttürkei - Wenn man als Tourist schön langsam zu einem besonderen Ereignis wird...

Richtung Osten gings von Kappadokien also wieder mal über eeeeewig breit und mit beschissenem Asphalt ausgebaute Straßen in Richtung Malatya. Lange Zeit gings sehr gerade und fad dahin, da war ich dann sehr froh über die extra noch gekauften Ohrhörer und ein wenig Heavy Metal um die Langeweile beim dahintuckern zu vertreiben...

Viiiiiel Gegend!

Noch mehr Gegend! ;-)

Später wurde es dann tatsächlich etwas gebirgig, und von der Schnellstraße aus konnte man den versteckt Eingang einer Riesenschlucht erkennen.


Aus einer Laune heraus nahm ich dann eine Abzweigung von der Hauptstraße weg, in der Hoffnung diese etwas besser vor die Kamera zu bekommen.

Dieser freundliche Mann hat uns dann den richtigen Weg gezeigt, als wir etwas ratlos an der nächsten Kreuzung herumstanden:


Und der Umweg hat sich wirklich gelohnt:



 
Hier haben sie nämlich extra einen Aussichtspunkt in die Schlucht hineingebaut:


Ob das Gebäude, das zweifelsohne für Tourismus bestimmt ist, gerade noch nicht fertig ist, oder ob die ganze Sache kurz vor Fertigstellung Konkurs anmelden musste, war nicht ganz zu erkennen. War auf jeden Fall eine gute Idee dort das Häuschen in die Schlucht hineinzubauen:




Leider war die Ausführung, bzw. das "Finish" des Häuschens ziemlich schlampig, auf den Fotos kommt das wahrscheinlich nicht so rüber, aber wie kann man nur Niro-Rohre an Baustahlsteher schweißen und dann über die alles andere als sauberen Schweißnähte einfach irgendwie grob drüberpinseln?!? Dem Ingenieur in mir stellen sich da alle Haare auf, und auch die Fenster und der Glasboden waren alles andere als sauber verarbeitet... Der Laufsteg außenrum war ohne Kletterei eigentlich gar nicht erreichbar (auch von innen gar nicht!), der war einfach auf beiden Seiten ca. 1m zu kurz.... Echt schade eigentlich, die Schlucht bzw. der Platz hätten da etwas mehr Liebe im Detail verdient...


 In Malatya angekommen, waren wir dann erst mal ein wenig geschockt von der Stadt. Das extra noch rausgesuchte Hotel war am Zielort des Navis nämlich weit und breit nicht zu finden, dafür gabs viel Verkehr, gehupe, und einen Haufen Leute, die uns "komisch" angesehen haben. Ich ging dann also mal eine Runde um den Block, um zu sehen, ob das angepeilte Hotel nicht doch noch irgendwo aufzutreiben war. Das fand ich zwar nicht, aber dafür ein anderes, das auch einen recht guten Eindruck machte, wenn auch der ca. 10 jährige Sohn der Rezeptionistin der einzige war, der dort ein paar Brocken Englisch sprach.
Als ich dann zu Richi zurückkehrte, war dieser schon im Gespräch mit Basri, einem Türken aus Malatya, der 27 Jahre seines Lebens in der Nähe von Frankfurt zugebracht hat. Dieser bot uns gleich Hilfe bei wasauchimmerwirbrauchen an, und gab uns sicherheitshalber mal seine Telefonnummer. Am Rückweg hatte ich dann auch noch ein anderes Hotel zwei Blocks weiter gesehen, zum Preisvergleich ging ich dann auch dort mal fragen. Dort wurde ich gleich überschwänglich von unserem seit diesem Abend Lieblingstürken begrüßt, der ein ganz passables Englisch sprach, und auch noch selbst Motorrad fuhr. Wir nahmen dann sein Hotel, auch wenns eine Spur teurer als das andere war, aber der Kerl war es echt wert! Cay sowviel wir wollten war im Zimmerpreis inbegriffen, und er weigerte sich sogar dafür Trinkgeld anzunehmen. Als wir uns dann geduscht und wieder zivilisiert hatten, und wir ihn nach einem Restaurant in der Nähe fragten, begleitete er uns sogar noch zum nächsten Restaurant seiner Wahl. Leider gabs dort nichts ohne tote Tiere, also gab er uns noch eine Wegbeschreibung zum nächsten Restaurant mit, und entschuldigte sich, er kann ja die Rezeption nicht ewig unbesetzt lassen...
Das Restaurant haben wir natürlich nie gefunden, und am Ende waren wir froh, dass wir unser Hotel in dem Gewirr aus Straßen wieder gefunden haben. *g*
Unterwegs haben wir dafür Erstkontakt mit türkischen Süßigkeiten gehabt, von den Läden gabs nämlich massig viele. Und das Zeug kann wirklich was! Ich hab mich an dem Abend noch so damit überfressen, dass mir am nächsten Morgen noch richtig schlecht war... *gg* In Kombination mit etwas Gemüse, Brot und Käse den wir auch unetrwegs fanden, gab das Ganze dann aber ein ganz passables Abendessen ab. Achja, jausnen durften wir auf der Dachterasse des Hotels, und unser Lieblingstürke organisierte sogar noch zwei Teller, Messer und Cay für uns, bevor er sich auf den Nachhauseweg machte.
Foto von ihm wollten wir am nächsten Tag machen, da hatte er aber offensichtlich leider keinen Dienst... :-/
Auch sonst haben wir in Malatya leider keine brauchbaren Fotos zusammengebracht, dafür gabs am nächsten Tag wieder viiiiiiieeeeeeeel Gegend durch die wir fuhren:


 
Und wir haben erstmals dran gedacht, eine der vielen Moscheen am Straßenrand zu fotografieren:


Kurze Zeit später war es dann soweit: wir waren in kurdischem Gebiet! Sehr widersprüchliche Dinge hatten wir über die Kurden gehört, es wäre dort extrem gefährlich, sehr viel Polizei und Armee wäre nötig um diese "Wilden" unter Kontrolle zu behalten, usw. Andererseits hatten wir aber auch von Reisenden gehört und gelesen, die sehr gerne und absichtlich in der kurdischen Region unterwegs waren, soooo schlimm konnte es also auch nicht sein! So fuhren wir also mit gemischten Gefühlen dorthin, und waren gespannt, wie es uns an der ersten angefahrenen Tankstelle wohl ergehen würde...

 Um es kurz zu sagen: Es war großartig: Noch nie davor haben sich die Leute auf unserer Reise so für uns interessiert, uns so offen aufgenommen, und auch noch einige brauchbare Brocken Englisch zur Kommunikation zusammengebracht. Auf ein Gläschen Cay wurden wir dort natürlich auch wieder eingeladen, Kinder bestaunten und betatschten unsere Motorräder, und die Leute waren zwar merkbar stolz daruf Kurden zu sein, und uns wurde auch mehrfach gesagt, dass wir jetzt in Kurdistan seien! - Aber alle Angst und Unsicherheit war nach dem Tankstopp wie weggeblasen. Daher stresste es mich auch nur ein ganz kleines bisschen, als wir von dem Navi bekannten Schnellstraßen abfuhren, und auf kleineren Sträßchen quer durchs wilde Kurdistan tuckerten:

Hmmm, das sehen wir aber anders...
 Nachdem meine Motorradtourenkarriere ziemlich zeitgleich mit der zuverlässigen GPS-Straßennavigation begann, hab ich wirklich genau gar keine Ahnung vom "nach Karte navigieren". Zielsicher landeten wir daher beim ersten abgelegenen Dorf am Marktplatz, und hatten keine Ahnung wie's von dort wohl weitergehen könnte. Wir mussten also tatsächlich Einheimische nach dem Weg fragen... Anfangs reagierte die Dorfbevölkerung sehr skeptisch auf unsere wie von einem anderen Stern wirkenden Motorräder, nur ein paar Kinder waren sofort zur Stelle um sich die großen bunten Dinger mal etwas näher anzusehen, bzw. zu betatschen.
Das gehört in der Gegend wohl absolut dazu, erst wenn mans angreifen kann, ist es wirklich da oder so... *g* Also versuchte ich mal einem etwas älteren Jungen die Karte zu zeigen, und ihn zu fragen, ob er denn nicht den Weg ins nächste Dorf kennt. Als die anderen Dorfbewohner dann schnell erkannten, dass wir keine kinderfressenden Aliens waren, war die anfängliche Distanz sofort wie weggeblasen, und das halbe Dorf stürmte auf uns ein. Von allen Seiten wurden wir mit Fragen gelöchert, zu 90% waren diese leider auf kurdisch, aber woher, wohin, wieviel kosten die Motorräder usw. konnte erfolgreich kommuniziert werden. Das wir beim "wohin" Hilfe benötigen war auch recht schnell klar, und so bot ein Mann uns gleich mal an seinen Sohn als Führer aus dem Dorf bei uns hinten drauf mitfahren zu lassen. So gern wir das auch angenommen hätten (und dem Jungen damit sicher zum "Hero of the week" gemacht), wir haben leider aufgrund des Gepäcks wirklich keinen Platz für einen Beifahrer. Das erkannte dann auch der Mann, und so klemmte er sich schnellentschlossen hinter das Steuer seines Pickups und führte uns auf die Hauptstraße zurück. Keine Ahnung, wie wirs geschafft haben, von dieser abzukommen... *gg* Wir bedankten uns dann noch ganz fest bei unserem kurdischen Wegweiser, und lupften zum Abschied brav die Vorderräder! ;-)

Zwei, drei Dörfer später beschlossen wir dann in diesem Flusstal, im wilden Kurdistan, wild zu campieren:


So 100% sicher waren wir uns der Sache dann aber doch nicht, also wollten wir beim nächsten Bauernhäuschen fragen, ob das denn wohl ok für den Besitzer ist, wenn wir da irgendwo zwischen den Büschen unser Zelt aufschlagen.
Als wir dann also am Straßenrand stehengeblieben sind, blieb auch schon ein Pickup neben uns stehen, der in den selben Feldweg wie wir einbiegen wollte.
Die beiden Insassen hießen uns dann (wieder mal) in gebrochenenem Englisch ganz herzlich willkommen in Kurdistan, und wir versuchten ein wenig mit ihnen zu plaudern. Auch auf die campiererei haben wir sie dann angesprochen, und die beiden meinten, es wäre sicher kein Problem hier zu schlafen. Ob wir denn nicht Lust auf ein kaltes Bierchen hätten haben sie dann auch gefragt und dabei mit einer Einkaufstüte gewinkt... *gg* Das konnten wir natürlich nicht abschlagen, und so standen wir dann kurze Zeit später mit zwei Flaschen gut gekühltem Tuborgs in Kurdistan etwas verdutzt am Straßenrand. Die Beiden mussten nämlich leider weiter, und ließen uns mit unserer Beute alleine...
Keine fünf Minuten später blieb dann wieder ein Auto mit zwei Jungen Kurden an Bord neben uns stehen, und auch sie fragten uns in gebrochenem Englisch wo wir den herkommen, und hießen uns ganz herzlich in Kurdistan willkommen. Der Besitzer des Häuschens schaute dann auch noch vorbei, und auch er hatte kein Problem mit unseren Campingplänen, also gings ab ins Gemüse!

Uns hats dort wirklich sehr gut gefallen!

Am nächsten Morgen kam uns dann auch noch eine Gruppe junger Kuhrdinnen besuchen:


 leider erwies sich die Sprachbarrieren aber wieder mal als unüberwindbar, deswegen zogen sie von uns vollkommen unbeeindruckt weiter ihres Weges...

Nichtmal Richis Spider-Richi Einlagen nahmen die Damen zur Kenntnis:



...und auch wir machten uns dann auf den Weg, unterwegs gabs dann wieder mal viiiiiiiiel schöne Gegend:





...und allerorts wurden wir von allen Leuten sehr freundlich aufgenommen, und häufig auch von Wildfremden gegrüßt. Zweimal wurden wir in Kurdistan auch nach unserer Religionszugehörigkeit gefragt, was uns davor noch nicht passiert ist. Aber mit "Christian" hatte hier wirklich keiner ein Problem, auch wenn das eigentlich nicht mehr ganz der Wahrheit entspricht... Aber wenn ohnehin nur fragmenthafte Kommunikation aufgrund fehlender gemeinsamer Sprache möglich ist, wäre es wohl hoffnungslos ihnen das Konzept von Atheismus näherbringen zu wollen... Und lt. diverser Reiseführer ist es in solchen Situationen immer besser einen für die Einheimischen klaren Standpunkt zu vertreten, als irgendwelche für sie völlig abstrusen Ideen einer gottlosen Welt von sich zu geben...

Etwas später fanden wir dann auch erstmals einen verlassenen Polizei/Armeestützpunkt:


In dem Turm links oben sitzen normalerweise immer ein paar Soldaten mit Maschinengewehren, und sowieso ist jeder Gendarmerieposten hier in Kurdistan wie eine kleine Festung mit Mauern, zahlreichen Schießscharten und Panzersperren ausgebaut...

Martin-Suchbild! ;-)
Solche schwer bewaffneten Polizeifestungen gibts wirklich in jedem etwas größeren Dorf, und das dort auch schwere Panzer herumstehen. bzw einem teilweise auch auf der Straße entgegenkommen ist wirklich ganz normal. Gelegentlich gibts auch Straßensperren, wo man dann zwischen ein paar Radpanzern durchtuckert, uns haben die Soldaten aber vollkommen in Ruhe gelassen. Fotos davon haben wir uns natürlich keine machen getraut, es gibt aber ein paar gute Helmkamera-Videos, unter anderem als wir einen Militärkonvoi (mit mehreren gepanzerten Fahrzeugen!) auf einer Schnellstraße überholen... ;-)

Wir beschlossen dann mal ein wenig Obst bei einem der Händler am Straßenrand zu kaufen, und haben uns dann ein Zeiterl mit diesen jungen Männern auf gebrochenem Englisch und mit Händen & Füßen unterhalten:


Als wir stehenblieben, und erstmal sehen wollten, was es denn hier gutes gibt, hat er auch schon einen Granatapfel für uns aufgerissen, und streckte ihn uns freudestrahlend über so exotische Kundschaft zum probieren entgegen. Das war mein erster echter Granatapfel, und ich hab das Teil echt gut gefunden, is irgendwie voll lustig zu essen so ein Körndlapfel... ;-) Da haben wir dann also zwei genommen, und auch noch vier Zwetschken. Eine Rebe voll super schmeckender Weintrauben (kernlos! ;-) ) bekamen wir auch noch gratis dazu, und auch sein eisgekühltes Wasser hat er gleich mit uns geteilt. Als er sah, das wir uns über das kühle Nass (unseres war nach Stunden in der Sonne eher teeartig) sehr freuen, wollte er uns gleich die ganze, zu 3/4 mit einem Eisklumpen gefüllte, Flasche mitgeben... (wir haben dankend abgelehnt, wir hatten ja Wasser, und uns war es im Gegensatz zu ihm auch ein leichtes unterwegs wo neues, gekühltes zu kaufen, während er da noch stunden lang an der Straße auf Kundschaft wartete...)

Der Junge war wirklich eine Wucht, er  hatte soviel Energie und seine Augen begannen richtig zu leuchten, als er uns die politische Situation in Kurdistan zu erklären versuchte. Nach seinen Ausführungen dürfte die türkische Obrigkeit in Kurdistan ziemlich brutal zu Werke gehen, und ihre militärische Überlegenheit schonungslos nutzen um die kurdische Bevölkerung zu unterdrücken...

Dieses Gebäude hat angeblich auch die Armee so zugerichtet:


Den türkischen Premier Erdogan verglich er mit Hitler, und den kurdischen Freiheitskämpfer Öcalan mit Che Guevara... Wie zur Bestätigung flog dann auch wieder mal ein schwer bewaffneter Armee-Helikopter vorbei:


Ähnliches hörten wir leider auch von Kurden in Van, mit denen wir sprachen. Obwohl die große Bevölkerungsmehrheit kurdisch ist, sind sämtliche Polizisten, Lehrer, Ärzte, Beamten usw. Türken, für Kurden gibts quasi nur die zweitklassigen Arbeitsplätze...

Das ist jetzt natürlich etwas einseitig berichtet, von der türkischen Seite gibt es mindestens soviele Vorwürfe der kurdischen Seite gegenüber. Wir können nur berichten, dass wir von Kurden durchgehend extremst gut und freundlich behandelt wurden, ständig wurden wir zum Teil begeistert begrüßt, und türkischen Soldaten hat es in ganz Kurdistan nur einen einzigen gegeben, der uns freundlich gegrüßt hat...

Aber es gibt noch irrere Leute als uns dort in der Gegend:

Fahrradfahrer!
Kurz später waren wir dann auch am Van See, dem größten See der Türkei:





Wie es uns dann in Van ergangen ist, erzähl ich ein andernmal. Jetzt geh ich mal Mittagessen und dann gehn wir mit unseren KTMs ne Runde auf iranischen Sanddünen drehen, yippieeeeeh!!! ;-)

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